Explosion der Worte (Wie alles begann, Teil II)

Im ersten Teil meines Artikels "Wie alles begann" war ich zu flüchtig. Schuld daran hat unsere wilde Zettelwirtschaft, die im chaotischen Einlagerungsverfahren im Familienordner einen chronologischen Überblick über die Sprachentwicklung unserer Tochter schier unmöglich macht. Beim Schreiben des ersten Teils hatte ich ein paar Sprüche-Zettel identifiziert und rekonstruierte so gut es ging ihre ersten Ausflüge in die deutsche Sprache

Bei etwas akribischerer Recherche der unzähligen Schmierzettel tritt ein Kardinalsfehler zutage: jeder Zettel enthält zwar passend zum Kinderspruch das entsprechende Tages- und Monatsdatum, so gut wie nie aber die Jahresangabe. Damals dachte man sich beim Aufschreiben, das sei ja wohl absolut klar, die Jahreszahl müsse ja nicht immer mitgeführt werden... jetzt alles zu rekonstruieren ist schwieriger, als gedacht.

 

In der Doppelfunktion eines Linguistik-Archäologen und Sprach-Sherlock-Holmes reime ich mir also den Tathergang ihrer sprachlichen Lernkurve möglichst exakt zusammen. Die im ersten Teil erwähnten "First Spoken Words" waren schon richtig. Mangels Notizzettelübersicht vorenthalten habe ich Euch aber die ersten lautmalerischen Ausrufe aus der Anfangszeit, als da wären:

"wau-wau", "hasi", "aua", "phia" (Bedeutung unbekannt), "mina" (Bedeutung unbekannt), "düschdü" (Bedeutung unbekannt), "dodo" (Auto), "mami", "heiß", "eins", "oohhkee" (ok) und "ansieehn" (zieh mich an, bitte!).

Nach dem etwa zwei Dutzend Wörter umfassenden Starterpaket kommt mit "mein" das erste Besitzpronomen dazu. Das ist wichtig und macht ja auch einiges klar. Mit "Naaiieehhn!" (nein) und "wack!" (geh weg!) hat sie obendrein ein extrem effizientes Wortdoppel, mit dem Baby seine Umwelt, sprich uns, ziemlich effektiv rumkommandieren kann. Mit kleinen Verbalgranaten wird jetzt nicht mehr gegeizt: "Watte!" (warte auf mich) ergänzt des Generals sprachliches Befehlsarsenal."Hand!" (nimm mich an die Hand!), "Hochi!" (los, trag' mich!) und "Schoßi!" (ich will aud Deinen Schoß!) sind mit militärischer Präzision artikulierte Kommandos, die unverzüglich auszuführen sind.

 

Pferde beeindrucken sie schon allein wegen ihrer Größe. Deswegen sind "Pfee" linguistisch ganz vorne mit dabei. Am anderen Ende der Größenskala machen die hübschen Schmetterlinge durch ihr Geflatter Eindruck: "Schmetters" sind das.

 

Klar muss man Familienmitglieder auch begrüßen oder verabschieden, das ist auch bei den kleinsten sozialen Wesen schnell gelebter Konsens. "Tsüss" kommt interessanterweise eine Woche vor "Hallo". Dafür ist letzteres aber glasklar ausgesprochen. "Oma", "Opa" und "alle" gehören jetzt auch sprachlich dazu. Mit "da" (dort), "bitti" (bitte mehr, ist leer), "Mami", "Babbi", "groß", "süß", "Katze" fangen die Worte allmählich an zu explodieren. Jetzt geht es wirklich zack auf zack, jeden Tag kommen etwa 3-4 neue Wörter dazu. Zu diesem Zeitpunkt ist unsere Tochter 23 Monate alt.

Doch was sie mit ihren knapp zwei Jahren so alles zum Besten geben kann ist nur die eine Seite der Medaille. Uns schwant schon lange, dass unsere Tochter das meiste von dem versteht, was wir so von uns geben. Der 14.08.2010 ist für uns eher zufällig eine kleine Offenbarung. Wir fragen sie 'Wo sind Deine Augen?' und sie deutet darauf. Auf 'Wo sind Deine Ohren?' zeigt sie auf ihre Ohren. Dasselbe funktioniert mit Nase, Hände, Füße, Mund und Popo. Und noch viel mehr. Spätestens jetzt haben wir eine Vorstellung davon, was die Kleine bislang schon alles mitbekommen hat - weit mehr, als wir je geahnt hatten.

Beherrscht man eine Vielzahl einzelner Wörter kann der Spass des Kombinierens beginnen: "Will nett wack!" kann man seiner großen Schwester dann entgegensetzen, wenn die einem den Platz streitig macht. Mit der Standardfrage 'Wadde deehs?' kann man sich zudem alles erklären lassen. Oder man macht auf ungewöhnliche Begebenheiten aufmerksam: "Wasser brennt hier!", ruft sie ganz aufgeregt, als das Wasser im Wasserkocher lautstark vor sich hinblubbert. Mit ganzen Sätzen erschließt sich eine neue Sprachdimension. Aber davon dann im dritten Teil unserer Serie "Wie alles begann."

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