Neulich war es wieder soweit. Eine zunächst ganz unverdächtige Unterhaltung mit meiner Tochter wächst sich nach und nach zur Skurrilität aus. Und das ging so: Papa muss morgen geschäftlich nach Düsseldorf. Mit dem Frühflieger. Deswegen muss er auch sehr früh aufstehen und ungewöhnlich zeitig zu Bett gehen. So früh wie ein kleines Kind. Das provoziert natürlich ein paar wichtige Fragen, so von Pyjama zu Pyjama...
"Fliegst Du weit weg?"
"Nein."
"Wo ist Düsseldorf?"
"In Norddeutschland."
"Was machst Du da?"
"Ich muss da was arbeiten."
"Bleibst Du lange weg?"
"Nein, morgen Abend bin ich wieder da."
Darauf bekomme ich Unterstützung zugesagt: "Ich geb' Dir drei Kuscheltiere von mir mit, damit Du mich nicht vermisst!". Ich bin gerührt, denke für eine Sekunde nach, ob mich so ein Kuscheltier nicht tatsächlich über so manches Meeting morgen hinwegtrösten könnte, lehne aber dankend mit dem Verweis ab, dass drei Kuscheltiere nicht in meine Tasche passen und man mich beim Sicherheits-Check (damit weiß sie schon etwas anzufangen, da sie selbst schon 2-3mal geflogen ist) auslachen wird. "Ok, dann geb' ich Dir was anderes mit", sagt sie und trippelt schnell rüber in ihr Kinderzimmer.
Von dort kommt sie mit ihrer Prinzessinenschatzkiste unterm Arm wieder. Sie holt ein kleines Krönchen hervor. "Die musst Du mitnehmen, die beschützt Dich", sagt sie überzeugt und versucht mir das Geschmeide gleich aufzusetzen. Ich muss lachen und antworte: "Maus, wenn ich die Krone aufsetze halten die mich am Flughafen für verrückt und winken mich raus." Der Gedanke scheint sie nicht sonderlich zu schrecken, im Gegenteil, ich sehe in ihren Augen dasselbe Funkeln, das immer aufglimmt, wenn sie merkt, dass sie auch einen Erwachsenen, noch dazu Papa, in eine peinliche Situation bringen kann.
"Was sagen die Leute dann?", fragt sie in freudigster Erwartung. Jetzt kann das Spiel beginnen.
"Die sagen, der tickt nicht ganz richtig, den kontrollieren wir ganz genau!"
"Aber wenn Du sagst, die Krone ist von mir?"
"Das werden die nicht verstehen."
"Was sagen die dann?"
"Sie fragen mich vermutlich, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe und wollen meinen Pass ganz genau sehen."
"Aber Könige tragen doch eine Krone!"
Ich wundere mich, welchen Status ich gerade zugesprochen bekomme, versuche aber die Dinge ins rechte Licht zu rücken:
"Aber Könige tragen ihre Krone doch nicht, wenn sie auf Reisen gehen."
"Doch, Könige und Prinzessinen haben immer eine Krone auf."
"Ja, Maus, die im Film und im Märchen, die vielleicht, aber die paar echte Könige und Königinnen, die es wirklich gibt, die tragen ihre Krone nur ganz selten."
"Was sagen die Leute, wenn Du sagst, dass die Krone von mir ist?" Darauf habe ich keine Antwort. Ich hänge gedanklich noch der Vorstellung nach, was wohl passieren würde, wenn ich als König Ludwig Imitat mit Krone, Hermelinumhang und Zepter majestätisch durch die Schleuse schreite und dabei dem Sicherheitspersonal mit meinem königlichen Handschuh gnädig zuwinke - überlasse das aber angesichts des unterentwickelten Humors mancher bayerischer Sicherheitsbeamter besser Hape Kerkeling.
Ich gebe mich langsam geschlagen, sage aber, dass ich keine Krone mitnehmen kann. Daraufhin kramt sie aus ihrem Schatzkistchen eine Prinzessinenhaarbürste zutage. "Die musst Du mitnehmen, dass Deine Haare nicht so struwwelig sind." Das lässt sich im Handgepäck arrangieren, ohne beim Durchröntgen allzu komische Fragen gestellt zu bekommen, also akzeptiere ich die Mitgift. Die Vorstellung, dass während des morgigen Meetings beim Herausholen meiner Akten auch eine Prinzessin-Lillifee-Haarbürste zutage gefördert wird, lässt mich leicht erschaudern. Der Gedanke an die Blicke und das Stirnrunzeln meiner Kollegen ist noch beunruhigender.
Doch damit nicht genug. Als nächstes kommt ein Glasperlengebilde zum Vorschein, das mir in die Hand gedrückt wird. "Das ist Dein Beschütz-mich-Engel, den musst Du mitnehmen. Dann weiß ich, dass Du an mich denkst und dass ich an Dich denke." Ich analysiere kurz, ob der Flughafenscanner dieses Ding merkwürdig finden wird und falls ja, ob es mich allzusehr kompromittieren wird. Aber schlimmstenfalls ist es eben der abgerissene Ohhring meiner Frau, den ich schon seit Wochen zufällig in meiner Aktentasche mit mir herumtrage. Ich freue mich über so viel gutgemeinte Glücksbringer und die morgige Sicherheitskontrolle. Ein wahrlich königlicher Check-in.
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Ralf Öttinger (Donnerstag, 23 Mai 2013 16:50)
Hi Wolfram,
sehr süß Deine Kleine, vor allem aber das "Survival" Paket, was sie Dir mitgeben wollte.
Na dann hoffe ich mal, dass die Zollbeamten und Deine Kollegen nix gemerkt haben.
Gruß
Ralf
P.s. hab auch einen süßen Racker zuhause, der manchmal auch auf solche Ideen kommt.