In den ersten beiden Teilen der Rekonstruktion, wie unsere Tochter allmählich das Reden lernt, ging es um die allerersten Worte, jedes davon eine Überraschung, manches eine kleine Offenbarung. Nachdem der Wortschatz täglich anwächst, werden einzelne Wörter zunehmend miteinander kombiniert. Das scheint auch ihr richtig Spass zu machen, denn gleich zu Anfang werden Redewendungen und Sprüche beeindruckend nachgeklopft.
"Sagga-mall" steht sehr früh ganz oben auf ihrer Sprücheliste, und es wird genauso verwendet, wie der Erwachsenenausruf "Ja, sag' einmal!". "Oh meine Güüte!" ist ein Ausruf, der mit ähnlicher
Inbrunst und gedehnter Betonung eingesetzt wird, wie es die Großen auch machen.
"Guten Morgen, geht's gut?!" begrüßt sie mit ihren drei Lenzen allen ernstes ihr Aupair-Mädchen, und meint es genau so, wie es sich anhört - wie vom Profi-Smalltalker. Und dass sie nach einem
deutlich vernehmbaren Bäuerchen, das man durchaus als waschechten Rülpser durchgehen lassen könnte, breit grinsend "Mahlzeit!" sagt, lässt erahnen, dass der Humor offenbar als Zwillingsbruder mit
der Sprache einhergeht. "Ach Quatsch" und "Mensch!" erweitern die Floskeln für den täglichen Schlagabtausch mit Mama, Papa und Schwester.
Wenn ein Kleinkind ebenso genüsslich wie unüberhörbar den letzten Löffel Suppe aus der Schale schlürft und mit der Inbrunst eines Gourmets vermeldet: "So ein Traum!", fragt man sich, ob da wirklich ein Kind von gut drei Jahren oder ein ausgewachsener Comedian im Kinderstuhl mit am Tisch sitzt.
Mit "Kleines Bäbi i bin" kommt die erste formulierte Definition ihrer selbst. Und die trifft den Kern. "Ich bin Dein Tochter!" sagt sie kurze Zeit später mit einem Stolz, dass man meinen könnte, wir alle wären just in diesem Moment über diese spannende Tatsache zum ersten mal aufgeklärt worden. Wenn man von beiden Großmüttern betüttelt und verwöhnt wird, ist klar, dass man "Omis gerne mag beide!".
Eine der ersten komplexeren Äußerungen kommt leider unter mehr als unglücklichen Umständen zustande: Unser Töchterchen mag mal wieder nicht ins Bett gehen, obwohl es schon längst Schlafenszeit ist. Papa legt sie dennoch bettfertig in ihr Gitterbett. Das passt ihr nicht und sie stemmt sich mit ihren Ärmchen schreiend über die Brüstung und fällt kopfüber auf den Laminatboden. Eigroße Beule auf der Stirn inklusive. Nach einem nächtlichen Kurzbesuch der uns bestens bekannten Notfallaufnahme des Kinderkrankenhauses sagt sie, nachdem wir auf sie eingeredet haben so etwas nicht mehr zu tun: "Bett nicht turn machen. Ich schlaft Bett. Gefährlich. Böse. Ich auch böse." Der Bums hat das Sprachzentrum ganz offensichtlich nicht beeinträchtigt.
Das Telefon übt schon früh einen ganz besonderen Reiz aus. Mit drei Jahren schnappt sie sich das Telefon, wenn es klingelt. Dann rennt sie mit ihrer Beute wie ein kleiner Bankräuber durch die Wohnung und genießt die Verfolgung. Und wehe, man unterbricht sie oder fordert das Telefon von ihr lautstark zurück: "Psst, ich Opa telefonieren!", macht sie klar, und schon wird Opa über das am heutigen Tag Erlebte zugetextet: "Ich esst ein Fleisch und Goggoli (Broccoli). Mami krank, Kopfschmerze, ich g'sund. Ich kann super laufen. Ich kann nicht gut riechen. Ich muss Moos (= abgekürzter Wohnort von Opa) kommen. Ich komm morgen. Ich hab' neue Buch. Ich hab' Hasi. Ich zeig Dir morgen. Wann abholst Du mich?" Sie macht ihre Termine schon ohne uns aus. Mitsprache ausgeschlossen.
Wenn man über so ein Telefon so toll miteinander sprechen kann, kann man damit auch seinem Gesprächspartner alles mögliche zeigen. Das glaubt sie jedenfalls, denn sie hält das Telefon auf allerlei Gegenstände und sagt gewitzt "schau" oder "siehst Du?" Wer da noch ernsthaft daran glaubt, Facetime habe Steve Jobs erfunden, glaubt auch noch als Erwachsener an den Weihnachtsmann.
Die Begeisterung und Neugier für Einkäufe, die zuhause verräumt werden ist grenzenlos: immer wenn große Tüten angeschleppt werden rennt sie herbei und fragt: "Hat die Mama in ALDI gekauft?". Kein Wunder, ist ja alles so schön bunt und knispelt wie Geschenkpapier. Besondere Wertschätzung wird demnach zuteil, wenn sie all jenen Personen, die sie lieb hat ein ganz besonderes Geschenk ankündigt: "ich kauf' Dir Unterhose bei ALDI!". Die eher zurückhaltenden Begeisterungsstürme irritieren sie wenig. Ob Papa, Mama, Schwester oder Aupair - allen wird konsequent ein Discount-Schlüpfer verpasst - Widerstand zwecklos.
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Jasmin P. (Donnerstag, 23 Mai 2013 16:47)
Hallo Wolfram,
ach ich musste so herzhaft lachen, köstlich. DAs Bild ist übrigens der Hammer, ja kann mir schon vorstellen, dass Deine Kleine Euch Dampf macht und Unterhosen verpassen möchte.
viele Grüße
Jasmin